Von allen Seiten ist das Gejammer zu hören: Angestellte beschweren sich über den Druck, ständig per E-Mail erreichbar  sein zu müssen, Unternehmensleitungen kommen mit dem digitalen Auftritt ihrer Firma nicht mehr hinterher, Datenschützer beklagen den Überwachungswahn großer Softwareanbieter und Eltern möchten das Smartphone ihres ständig tippenden Sprösslings oft am liebsten aus dem Fenster werfen. Manchmal scheint es, als sei die digitale Transformation der Gesellschaft alles andere als wünschenswert. Und doch gibt es viele Gründe, sich nicht in eine Offline-Ära zurückzuwünschen.

Der Nutzer im Zentrum des digitalen Wandels

Nützlich oder lästig? Das Smartphone als ständiger Begleiter im Alltag

Nützlich oder lästig? Das Smartphone als ständiger Begleiter im Alltag

KPMG, eines der führenden deutschen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen, definiert in einer Studie von 2014 die digitale Transformation folgendermaßen: Der Begriff Digitale Transformation steht für eine kontinuierliche Veränderung der Geschäftsmodelle, der Betriebsprozesse sowie der Kundeninteraktion im Zusammenhang mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.“

Diese Definition suggeriert, dass Unternehmen als Vorreiter der Digitalen Revolution agieren. In der Realität allerdings sind es oft die Kunden, die durch ihr verändertes Nutzerverhalten die Unternehmen zwingen, ihre Geschäftsmodelle und Angebote den digitalen Gewohnheiten und Umständen anzupassen: Laut einer B2B Studie von diesem Jahr erfolgen 60% des Business-to-Business- Kaufprozesses inklusive Recherche und Vorauswahl  online und sind bereits abgeschlossen, bevor der erste Kontakt zum Anbieter erfolgt.

Nur wer die passenden Informationen zur Verfügung stellt, hat also künftig einen relevanten Einfluss auf den Entscheidungsprozess. Für die Kunden bietet das enorme Vorteile, denn sie sind nun nicht mehr abhängig vom Angebot und Preis der lokalen Verkäufer, sondern können sich online über Qualität und Preis ein genaues Bild machen, Kundenrezensionen lesen und Produkte vorm Kauf miteinander vergleichen.

Somit ist es für Unternehmen entscheidender denn je, den Kunden genau unter die Lupe zu nehmen: Je besser Unternehmer die Bedürfnisse ihrer Kunden verstehen, desto eher können Sie auf diese reagieren und entsprechende Angebote definieren. Neue Marketing- und Vertriebsstrategien sind also von Nöten, um Marktanteile zu sichern und die Geschäftstätigkeit auszubauen.

Datensammlung und Datennutzung im Spannungsfeld

Entscheidend für die maßgeschneiderten Werbestrategien ist die Sammlung großer Datenmengen mit Information über das Kaufverhalten der Kunden, des sogenannten Big Data. Kritiker weisen zu Recht immer wieder auf mangelnden Datenschutz hin.

So ist es ein zentrales Anliegen von Kai Rommel, Geschäftsführer der RS Group GmbH, einen gesetzlichen Rahmen für den Umgang mit den Medien und den darin verarbeiteten Daten zu schaffen: “Viele rechtliche Grundlagen basieren auf den Möglichkeiten und Grenzen des 19. und 20. Jahrhunderts. Diesen Rechtsrahmen gilt es ganzheitlich an die heutige Lebenswirklichkeit des digitalen Zeitalters heranzuführen.”, forderte er im Dialog mit Managerfragen.

Nur mit einem modernisierten “Ordnungsrahmen” können Datenschutz und -sicherheit, Transparenz sowie der Wettbewerb in der digitalen Welt sichergestellt werden. Denn so praktisch es auch ist, bei Amazon und Co personalisierte Werbung zu erhalten, die genau den eigenen Interessen entspricht, so unangenehm ist doch die Vorstellung, dass Unternehmen wie Google mehr über die eigene Persönlichkeit wissen als enge Freunde. Darüber hinaus ist es aber auch notwendig, den Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeits- und Unternehmensorganisationen stärker in den Blick zu nehmen.

Arbeit 4.0 und das richtige Maß

Schneller, Höher, Weiter - Was gestern erst neu war, ist heute schon altmodisch.

Schneller, Höher, Weiter – Was gestern erst neu war, ist heute schon altmodisch.

Noch schnell vorm Schlafengehen die E-Mail vom Chef checken, den Vormittag im Home Office verbringen, von der Arbeit aus auf LinkedIn surfen, auch im Urlaub für wichtige Konferenz-Calls zur Verfügung stehen – Arbeit und Privatleben sind schon heute schwer voneinander zu trennen, und in den kommenden Jahren wird diese Vermischung noch zunehmen. Das ist an sich weder gut noch schlecht; wichtig ist, wie Arbeitnehmer und -geber mit dieser Vermischung umgehen.

„Nutzt man Prinzipien wie ´Wir lassen die Menschen arbeiten, wenn es ihnen am besten passt, so dass sie die gemeinsam vereinbarten Ergebnisse erreichen können`,  entsteht nachweislich mehr Leistungsbereitschaft und bessere Ergebnisse in Bezug auf Lebensqualität und die Zahlen der Unternehmen,” meint Guido Bosbach, Digitalisierungsexperte und Gründer von ZUKUNFTheute.

Diese Flexibilität kann aber auch zu Überarbeitung führen und das soziale Leben der Arbeitsnehmer belasten. Deshalb ist es wichtig, sich klare Arbeitszeiten zu setzen und in der Freizeit der Versuchung zu widerstehen, ständig die E-Mails zu checken. Eine Trennung von Arbeits- und Privathandy, -laptop und –zimmer kann dabei helfen.

Mit „Arbeit 4.0“ wird die Zukunft der Arbeit also vernetzter, digitaler und flexibler. Davon ist nicht nur der industrielle Sektor betroffen, sondern die gesamte Arbeitswelt.

Kompetente Mitgestalter des digitalen Wandels

Es gibt vielfältige Aspekte, die für ein Gelingen des digitalen Wandels erforderlich sind. Wichtig ist es, nicht in Panik zu verfallen, sondern sich klar zu machen, dass die digitale Transformation nicht uns beherrscht, sondern wir sie. Das bedeutet nicht, dass wir sie einfach umgehen könnten aber zumindest im Privatleben können wir den Einfluss des Digitalen auf ein angenehmes Maß regulieren und zu unserem Vorteil einsetzen. Unternehmen allerdings sollten angesichts der neuen Kundenanforderungen ihre Geschäftsmodelle überdenken.

Ich plädiere dafür, die Digitalisierung als Chance zu sehen, als Motor einer neuen industriellen Ära, die Unternehmen wie Kunden nie dagewesene Chancen bietet, sich besser zu informieren, global zu vernetzen und das Arbeitsleben sehr viel angenehmer zu gestalten. Statt zu jammern, sollten wir also unsere digitale Kompetenz erweitern und selbst anfangen, die digitale Transformation so zu gestalten, wie wir sie erleben möchten.

 

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